Die jüdische Geschichte der Stadt Sternberg (Mecklenburg)

Die jüdische Geschichte der Stadt Sternberg (Mecklenburg)

Jürgen Gramenz / Sylvia Ulmer
Hamburg 2015
Verlag tredition
DIN A4
456 Seiten
74 Abbildungen

Hardcover: ISBN 978-3-7323-4812-1
Paperback: ISBN 978-3-7323-4811-4
eBook: ISBN 978-3-7323-4813-8

Bezugsmöglichkeiten:
Verlag tredition

Die jüdische Geschichte der Stadt Sternberg Mecklenburg Einband Die jüdische Geschichte der Stadt Sternberg Mecklenburg Seiten


Den Juden von Sternberg.
Besonders für Ernst, der sich darüber wohl gefreut hätte.
Für Jane, Susan, Sally, Simon, René, Steven und all die anderen, die hier ihre Wurzeln haben.

Inhalt

Die Stadt Sternberg in Mecklenburg wird in der heutigen Geschichtsschreibung noch immer nur mit einem über 500 Jahre zurückliegenden Vorfall in Verbindung gebracht: dem angeblichen jüdischen Hostienfrevel von 1492, dem anschließendem Feuertod von 27 Juden auf dem später nach ihnen benannten Judenberg, der Vertreibung aller restlichen Juden aus Mecklenburg und ihrer fast 200 Jahre dauernden Abwesenheit im Lande.

Das Ziel des vorliegenden Buch ist es, diese einseitige historische Sichtweise auf die jüdische Geschichte Sternbergs zurechtzurücken.

Keine Publikation über diese Stadt kann freilich umhin kommen, sich des allgegenwärtigen Themas anzunehmen, so auch dieses nicht. Das Buch bietet deshalb einen Gesamtüberblick über die Legendenbildung, die Beweislage und besonders die spätere Rezeption des Hostienschändungsprozesses in der Literatur, die häufig weitaus mehr über die jeweilige Zeit und die herrschende Sichtweise auf die jüdischen Nachbarn aussagte als über den eigentlichen Vorfall selbst.

Den Hauptteil des Buches nimmt aber zweifellos das ein, was danach kam: die jüdische Neubesiedlung Sternbergs und das jüdische Leben in der Stadt. Um eine solche Rekonstruktion zu ermöglich, wurde das gesamte Sternberger Stadtarchiv vor Ort ausgewertet und alle betreffenden Dokumente - weit über tausend Seiten - transkribiert. Das Ergebnis dessen wurde Grundlage dieses Buches.

Nur so war es möglich, die gesamte Historie der Israelitischen Gemeinde zu Sternberg darzustellen, von ihren Anfängen, den ersten Schutzjuden, die sich hier gegen Ende des 18. Jahrhunderts wieder ansiedelten, über ihre Schwierigkeiten und Höhepunkte, zu denen zweifellos die Errichtung der Sternberger Synagoge 1853-1855 gehörte, bis hin zu ihrem schleichenden Untergang und den Auflösungsversuchen durch den Israelitischen Oberrat und der Mecklenburger Regierung, bis schließlich der Nationalsozialismus jeglichem Jüdischen in Sternberg den Todesstoß versetzte und Sternberg 1940 dann als "judenfrei" galt.

Zahlreiche Abbildungen jüdischer Sternberger und ihres Umfelds, darunter auch die wohl beiden einzigen, noch existierenden Fotos der 1937 abgerissenen Sternberger Synagoge und ihres Interieurs, ergänzen die rein textuelle Abhandlung und verdeutlichen vor allem Eines: Juden waren ein integrierter Bestandteil dieser Stadt.

Einen umfangreichen Teil des Buches nimmt daher das jüdische Leben in Sternberg ein: die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung seit dem 18. Jahrhundert, ihrer Beziehungen untereinander und zur städtischen Nachbarschaft, ihrer Beiträge zum Stadtleben, zum Militär, zur regionalen und sogar überregionalen Wirtschaft, ihre spätere Abwanderung und Emigration, und das sowohl von einem größeren soziologischen Standpunkt aus betrachtet als auch bis zu einem kleineren, familiären Rahmen. So werden die Genealogien aller früheren jüdischen Familien nahezu vollständig dargestellt, deren Entwicklung und der Verbleib ihrer Familienmitglieder. Zu diesen jüdischen Familien, die hier wohnten, zählten die Familien Ahrens (Nathan), Ahrens (Josephy), Behrens, Bentzien, David, Freudenfeld, Kychenthal, Löwenthal, Rosenbaum und Waldheim. Durch Einheirat erhielten darüber hinaus noch weitere jüdische Familien einen Bezug zu Sternberg: Die Familien Amsberg, Cohn, Frank, Friedländer, Gowa, Hirsch, Josephy, Lazarus, Levy, Loeb, Marcus, Müller, Nord, Philipps, Rosenberg, Samuel, Seckel, Simonis, Valk, van Damm und Würzburg.

Unter ihnen sind Persönlichkeiten zu finden wie Hermann Kychenthal, der unbekanntere Zwillingsbruder des jüdischen Kaufhausbesitzers Louis Kychenthal in Schwerin, Rahel Rosenbaum, das Paradebeispiel einer "gefallenen" Frau, die in der kaiserzeitlichen Gesellschaft geächtet, ihrer Chancen beraubt worden war und auf die schiefe Bahn geriet oder "Malefiteline", wie die drei unverheirateten Schwestern Bentzien scherzhaft genannt wurden, Adolph Rosenbaum, der einem jungen Mann "aus berechtigtem Zorn" den Arm gebrochen haben soll, und nicht zuletzt die Kaufleute Davidson David und Louis Rosenbaum, die beide am längsten die Geschicke der Israelitischen Gemeinde zu Sternberg als deren Vorsteher lenkten und erfolgreich durch so manch stürmische Zeit manövrierten.

Den Abschluss bildet zwangsläufig die Zeit des Nationalsozialismus. Dabei wird der gesamte Zeitraum der Verfolgung jüdischer Sternberger beleuchtet: von den beginnenden rassistischen Repressalien, über die Flucht ins Ausland bis zur Ermordung in den nur zu bekannten Lagern im Osten. Das Buch liefert damit einen vollständigen Überblick über die Opfer der Schoah, die einen Bezug zu dieser Stadt hatten, ihrer jüdischen Einwohner und deren Verwandten und zum Teil auch der ehemaligen jüdischen Studenten des Sternberger Technikums. Neben den individuellen Schicksalen einzelner Menschen werden auch die "Arisierung" zweier jüdischer Firmen mit Bezug zu Sternberg genauer dokumentiert: der bedeutenden Getreide- und Landhandelsfirma Firma Löwenthal, Nord & Co., deren Grundstein durch einen Sternberger 1854 in Bützow gelegt worden war sowie der Firma Josephy & Ahrens.

Die historische Darstellung wird durch einen Anhang ergänzt, der bedeutsame Dokumente aus der jüdischen Geschichte Sternbergs beinhaltet: die Originalmeldung der erblichen Familiennamen vom 23. April 1813, der Wortlaut des Erbpachtvertrags über den Jüdischen Friedhof von 1825, der Entwurf einer Gemeindeordnung für Sternberg, der durch deren Mitglieder im Februar 1840 erstellt worden war, und letztlich nicht zum Tragen kam, die durch den Großherzog 1846 erlassenen Gemeindeordnung für die jüdischen Einwohner der Stadt Sternberg sowie weiterer transkribierter Unterlagen. Komplettiert wird der Anhang durch eine nahezu vollständigen Aufstellung der Gemeindevorsteher, Rechnungsführer, Patrone und Religionslehrer der Israelitischen Gemeinde von Sternberg.

Diese Publikation ist ein zusätzlicher Beitrag zur Geschichtsschreibung Sternbergs, ein Beleg ihrer untergegangenen jüdischen Seite und sollte auch als Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Sternberger verstanden werden.